Der Mann hat wirklich etwas zu erzählen.

Willy Brandt kenne ich eigentlich nur noch aus meiner Kindheit, als mein Großvater im Fernsehen irgendwelche Bundestagsdebatten auf seine ganz eigene Art kommentierte. Welche Verdienste und welches Erbe seine Politik auch meiner Generation hinterlassen hat, habe ich, obwohl ich mich für einen politisch interessierten Menschen halte, nicht geahnt. Auf dieses Buch bin ich durch den Tod von Egon Bahr gestoßen, weil ich mich durch die eine oder andere Fernsehaufzeichnung für ihn zu interessieren begann.

Es muss ein äußerst spannendes Leben gewesen sein, das Egon Bahr führen durfte. „Minister für besondere Aufgaben“, aber Hallo. Engster Vertrauter unseres Bundeskanzlers in einer spannenden Phase des Kalten Krieges, dessen Credo Annäherung durch Wandel“ die Wende erst möglich gemacht hat. Egon Bahr war ein Top-Diplomat und ein Top-Agent (kein Spion!); ich empfinde seine Arbeit als Agententätigkeit, denn seine Aufträge waren oft streng geheim. Manchmal durften die Amerikaner nichts davon erfahren, aber meistens musste man sich vor dem eigenen Parlament und vor allem vor der DDR-Regierung schützen. Egon Bahr baute geheime Kanäle hinter den Eisernen Vorhang auf, die bis in die Spitzen der UdSSR reichten. Er traf sich mit den mächtigsten Männern seiner Zeit zu vertraulichen Gesprächen und war als Unterhändler wohl ein gern gesehener Partner. Möglicherweise ist sein Handeln auch heute noch mit hohen Sicherheitsauflagen verbunden, aber was er zu sagen hat, sollte man sich anhören.

Das Buch ist eine Hommage an Willy Brandt, den er bescheiden immer in den Mittelpunkt zu stellen versucht und man spürt die Loyalität, Freundschaft und Ergebenheit von Herrn Bahr. Ich hätte damals auf jeden Fall mit Herrn Bahr getauscht. Von so einem Leben träumt man schon als Kind.